1890 Sperber |
Groggert 1988, Seiten 200/201: Um 1930 gingen mehrere Unternehmen dazu über, neben Fahrten in die nächste Umgebung der Stadt mehrtätige Schiffsreisen nach Stettin – Swinemünde, Hamburg, Breslau, Dresden oder an die Müritz zu veranstalten. Dazu gehörte außer den Reedereien Otto Schmidt, David, Antrick, Adolf Lübeck, Redemann auch die Reederei Roloff. Die Reederei Roloff mußte ihren Betrieb nach einem schweren Unfall am 10. Juni 1932 [10.07.1932 s.u.], der sechs Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte, einstellen. Auf dem 1890 in Holland gebauten Dampfer „Sperber I“ hatte sich kurz vor der Abfahrt gegen 9 Uhr an der Anlegestelle Havelstraße in der Nähe der Charlottenburger Schloßbrücke eine Kesselexplosion ereignet. Worauf das Unglück zurückzuführen war, konnte mit letzter Sicherheit nicht geklärt werden. Der termingerecht überprüfte Kessel hatte zwar einige ältere Schweißnähte, die aber gehalten haben. Ein Riß in der Kesselwand trat schon bei einem relativ niedrigen Dampfdruck auf, nachdem sich einige Bolzen der Kesselverankerung gelockert hatten. |
Glindower Alpen – Geltow – Phöben
Kesselexplosion am Sonntagmorgen des 10. Juli 1932 an der Anlegestelle:
_______________ Senftenberger Anzeiger vom 11.07.1932: _______________
Die VOSSISCHE ZEITUNG berichtete am Montag, den 11.07.1932 in der Abend-Ausgabe (Abschrift): Explosionsunglück auf Berliner Ausflugsdampfer Gestern früh gegen 9 Uhr ereignete sich an der Anlegestelle der Berliner Reederei Roloff, vor den Hause Havelstraße 9, eine furchtbare Kesselexplosion auf dem Spreeausflugsdampfer „Sperber I“, bei der sechs Personen getötet und einunddreißig verletzt wurden. Der Dampfer, der 280 Personen faßt, sollte um 9 Uhr zu einer Fahrt nach Ferch abgehen. Bis 3/4 9 Uhr hatten sich an Bord 111 Personen eingefunden, unter denen sich 27 Kinder befanden. Plötzlich ertönte ein Knall, und wenige Sekunden später drangen unter sirenenartigem Zischen dichte Dampfwolken aus dem Kesselraum empor, die das Schiff wie eine Nebenwolke einhüllten. Gellende Schreie erschollen, die Menschen rannten aufgeregt, kopflos durcheinander, das Schiffspersonal versuchte vergeblich, in den Heizraum hinabzusteigen, um den dort arbeitenden Heizer zu befreien. Männer, Frauen und Kinder die auf Deck nahe dem Kessel saßen, brachen bewustlos mit furchtbaren Verbrühungen durch den fortgesetzt emporschießenden Dampf zusammen. Es war ein Glück, daß das Schiff sich noch an der Anlegestelle befand, sodaß sich die Fahrgäste über den Steg ans Ufer retten und die Verletzten gleich abtransportiert werden konnten. Der Heizer Ernst Schulz, der während der Maschinist noch an Land war, kaltes Wasser in den vermutlich schon überheizten Kessel go´ß, wurde durch die im gleichen Augenblick erfolgende Explosion zu Boden geworfen und durch den auströmenden Dampf so schwer verbrüht, daß er kurze Zeit später seinen Verletzungen erlag. 36 Personen mußten mit Verletzungen nach dem Krankenhaus Westend gebracht werden. 21 von ihnen konnten im Laufe des Sonntags wieder in ihre Wohnungen entlassen werden. Fünf starben während des Sonntag nachmittags und während der Nacht zu heute. Die Namen der Toten sind; die A.E.G. Angestellten Siegfried und Else Löllbach aus der Bayrischen Straße 8, Erika Arndt aus der Beusselstraße 19, Erika Leu aus der Lutherstraße 9 und Hildegard Schmittchen aus der Turmstraße 58. Elf Verletzte liegen noch im Krankenhaus. Bei niemanden besteht im Augenblick Lebensgefahr, jedoch sind einige Fälle als sehr ernst anzusehen. Heute früh erschien an der Unglücksstelle eine Untersuchungskommission, die aus Vertretern der Staatsanwaltschaft, des Polizeiamts Charlottenburg, aus Ingenieuren des Dampfkessel-Überwachungsamtes und Vertretern der Wasserpolizei und des Gewerbeaufsichtsamtes besteht. Diese Kommission will versuchen, eine Klärung der Katastrophe herbeizuführen. Der Dampfer wurde im Jahre 1899 erbaut [Groggert 1988 s.o.: „1890“]. Die Maschinenanlage ist holländischen Ursprungs und hat schon oft erhebliche Mängel gezeigt. Im vergangenen Winter wurde das Schiff vollkommen überholt. Die letzte Prüfung der Kesselanlage im Mai hatte keine Fehler ergeben. Irgendwann ist vor kurzem, ohne daß es bemerkt wurde, die Kesselverankerung gerissen. Dadurch verlor der Kessel seine Festigkeit. Und so konnte es jetzt geschehen, daß durch die Überheizung bei einem Druck von 9 Atmosphären die Kesselwand aufplatzte und ein 60 Zentimeter langer Riß entstand, durch den der Dampf entweichen konnte. 6 Die Berliner Ausflugsdampfer, so erklärte uns der Reedereiverband der Berliner Ausflugsschiffahrt, sind gegen Unglücksfälle solcher Art weitgehend geschützt. In jedem Jahr kontrolliert der Dampfkessel-Überwachungs-Ausschuß mehrere Male sorgfältig die Dampfer der Berliner Ausflugsschiffahrt. Die Beschaffenheit der Schiffe wird außerdem regelmäßig vom Wasserbauamt 1 geprüft. Der beste beweis für die Sicherheit der Berliner Ausflugsschiffahrt ist die Tatsache, daß seit vielen Jahren kein einziger ernster Unfall vorgekommen ist. Die Berliner Reedereien erklären, daß sie schon seit längerer Zeit die zuständigen Stellen auf die äußerst mangelhfaten Führung des Roloffschen Betriebes aufmerksam machten. |
Zuletzt bearbeitet 13.11.2024