1868: Ein Spreedampfer
Seit etlichen Jahren suchen, zum Aerger der Fischer, auch Dampfschiffe den Rücken der Spree bei Berlin. Eine Gesellschaft hat diese Spekulation gewagt und dabei auf die Sehnsucht der staubgeborenen Berliner nach Wasserpartieren gerechnet, wie es scheint nicht mit Unrecht.
Der Berliner flieht im Sommer gern den glühenden und staubigen Aufenthalt in der Stadt; eine Landpartie und gar eine Wasserpartie gehört zu den Lebensbedingungen jeder Familie. Die Dampfschiffe der Spree haben für diesen Zweck eine neue Aera eröffnet und die entferntesten Partien an den Ufern des Flusses leicht und billig erreichbar gemacht. Die Umgegend von Berlin, namentlich längs der Spree, ist anmuthiger und romantischer, als das vorurtheilsvolle Ausland und selbst das weit in die Ferne schweifende Berlinerthum glaubt. Die Mark ist als Streusandbüchse des Reichs und die Spree als ihr Fluß verleumdet worden. Der Reichtum an klaren, blauen und großen meist von Forst umrahmten Seen gibt der Mark träumerische und idylische landschaftliche Reize. Die Spree und ihre Nebenflüsse, ebenso wie die Havel, fließen durch solche Seen und bilden selbst gewaltige Wasserbecken. Die Dampfer der Spree, klein, aber elegant eingerichtet, fahren omnibusartig nach den Dörfern und Orten, welche meist an solchen Spreeseen und am Walde gelegen sind. Solche Orte sind Treptow, Eierhäuschen, Köpenick, Grünau und andere weiter hinauf bis zum Spreewald; stromab fahren die Dampfer nach der Havel durch die reizende Partie der Wannenseen zur Pfaueninsel bei Potsdam.
Kleine Gesellschaften bis zu sechzig, achtzig Personen miethen sich dergleichen Dampfer zu solchen Wasserpartien für den Tag; aber auch nicht bloß Sonntags findet sich auf den Dampfern, die an der letzten Brücke im Innern der Stadt liegen, eine bunte, vergnügte Gesellschaft zusammen, die für wenige Groschen sich nach den Uferstationen der Spree entführen lässt.
„die an der letzten Brücke im Innern der Stadt liegen“
Hier ist eine solche maßgebliche Dampferstation:
„An der Jannowitzbrücke in Berlin“. Abgebildet ist vermutlich die „Johanna“.
Groggert 1988, Seite 93:
Am 22. Februar 1864 genehmigte die Polizeibehörde die Errichtung einer neuen Anlegestelle an der Janowitzbrücke in Form eines 24m x 2,7m großen Floßes, und am 27. März 1864 traf als erstes Schiff der neuen Reederei die „Johanna“ in Berlin ein, … weiterlesen.
Quellenangabe:
Ein Spreedampfer: Bild und Text ca. 1868 laut meinem Händler, Zeitungsquelle unbekannt.
Groggert 1988 datiert die Zeichnung auf Seite 94 ebenfalls mit 1868.
Jannowitzbrücke: Bild ca. 1885 laut meinem Händler, „Allgemeine Illustrierte Zeitung„.