Groggert 1988, Seiten 21-23:
Der Umstand, daß über die Verwendung dieses Schiffes auf Spree und Havel und über sein weiteres Schicksal nicht mehr bekannt geworden ist, mag auch darauf zurückzuführen sein, daß Friedrich I. nach dem Entwurf Maddersteegs wenig später eine weitere, noch größere, noch besser ausgestattete, „die reichste und bestordonnierte“ Yacht bauen ließ, die im September 1707 in Stade und im November auf der Havel ankam. Einem Bericht von Schmetthaus ist über die Innenausstattung zu entnehmen:
„Das ameublement in Ewr. Königl. Mayt. Gemach ist an reichthum, propreté und guter ordonnanz nicht zu verbeßern, absonderlich aber der Dais, so zugleich den Imperial und ein klein canappé vor zwey persohnen oder großen fauteuil, wie auch das Bette ausmache. Die große Cammer, so mit blauen Damast behangen à crepine de couleur d’or mouchetté de bleu, ist ebenfalls schön, geraum und magnifique: Im gleichen ist die dritte Cammer vor die Cavaliers mit gelb Damast à crepine de couleur cremoisi mouchetté de couleur d’or wohl und propre meubliret; Des Capitains Cammer, so zugleich zur garderobbe dienet, ist ebenfalls nach proportion wohl meubliret; Maddersteg hat eine gute Chaloupe zur Jacht, umb an Bord zu setzen nach Englischer manier machen laßen, auf welche Ewr. Königl. Mayt. General Lieutenant der Architect Romaus und ich nach Englischer manier einen teppich samt einem Küßen von velour cramoisi mit gold brodiret, vor Ewr. Königl. Mayt., imgleichen Küßens auf die seite annoch ordomiret.“
Über die Fahreigenschaften des Schiffes schreibt von Schmettau:
„Wir befanden, daß die Jacht überaus wohl und scharf segelt, und giengen wir damit alle schiffe und verschiedene Jachten vorbey, so mit ihren wimpfeln Ewr. zu ehren auskahmen und mit segelten. Wann im laviren das segel überfiel, so drehete sich die Jacht mit solcher geschwindigkeit nach dem Ruder, daß es ein sonderbahres Plaisir zu sehen war … „
Leider konnten die geschilderten guten Eigenschaften dieses Schiffes in Berlin nicht ausgenutzt werden. In einem Brief der Kurfürstin Sophie von Hannover vom 12.11.1707 heißt es dazu:
„E.K.M. schöne jacht wird von ihderman ser gerümbt, es ist aber ein gross versehen, das mann sie nicht in die Spree kan bringen. Das Wasser mus nun sehr niederich sein … „
Erst im folgenden Frühjahr war es soweit: „Am 8. Martii Donnerstags“ 1708 fuhr der König mit den Markgrafen und dem Erbprinzen von Kassel nach Charlottenburg; und sie kamen nachmittags 3 Uhr auf der Yacht wieder zurück nach Berlin, „da alle Fischer von Berlin mit ihren Kähnen und mit allerhand Bändern aufgeputzt die Yacht einholten.“
Dieses Ereignis ist in Wort und Bild festgehalten worden. Der hannoversche Gesandte Heusch schrieb am 10. März 1708:
„Seine Königliche Majestät in Preußen haben vorgestern zu Mittag nebst dero Herren Brüdern und des Erbprinzen zu Hessen-Kassel Durchlaucht zu Charlottenburg gespeist und begaben sich nach der Mahlzeit auf das aus Holland gekommene Jacht, womit dieselbe den Fluß herauf in die Stadt bis vor das Schloß gefahren; weilen man keinen Wind hatte, so mußte das Schiff von mehr als 100 Soldaten heraufgezogen werden. Aus des Oberkammerherrn Garten wurde erstlich die Vorbeifahrt aus zehn allda gepflanzten Stücken mit einer dreimaligen Salve begrüßet, welches ebenfalls hernach, wie man an und in die Stadt gekommen, mit einer dreifachen Salve aus allen Stücken, so auf den Wällen um die Stadt herum stehen, geschehen ist. Die Jacht hat über zwanzig drei à vierpfündige Stücke, die sich auch wacker hören ließen. Die Wälle und beide Ufers waren von einer solchen Menge Zusehers angefüllet, daß es nicht zu beschreiben, und ist also die Einfahrt sehr prächtig und schön gewesen, allermaßen das Jacht noch von zwo schönen Fregatten begleitet war. Oben auf dem Tillac waren die vierundzwanzig Trompeter, die sich nebst denen Pauken und Charlottenbug an bis hierher tapfer hören ließen. Des Kronprinzen und der Kronprinzessin Königliche Hoheiten haben das schöne Spektakel von dem Schloß mit angesehen. Das Schiff stehet nun unterhalb der Brücke vor dem Schloß zur Schaue und soll dem Vernehmen nach wieder nach Potsdam gebracht werden.“
Ein Kuperstich von Johann Georg Wolffgang nach einem Gemälde von Maddersteeg zeigt das Schiff vor dem Berliner Schloß. Die lateinische Unterschrift lautet übersetzt:

„Liburnica, 82 Fuß lang, 23 breit, mit 22 bronzenen Kriegsgeschützen armiert, mit jeder Art von Schiffsgerät und -ausrüstung äußerst glanzvoll ausgestattet, mit Heckaufbauten und anderem Schmuck verziert, und zu Recht stolz den Namen des ersten Königs von Preußen führend, die Friedrich, allererhabenster König von Preußen, Begründer seines Reiches, nach dem von ihm genehmigten Modell in Belgien bauen und nach Verlassen des Ozeans in die Spree einfahren ließ, um sie zu seinem Vergnügen zu benutzen und sie zum Schein einer Seefahrt und als Lustschiff unter märkischen Himmel zu verwenden.“
Liburnica ist also nicht der Name des etwa 25 m langen Schiffes, sondern eine Bezeichnung, die der Kennzeichnung des Typs dient. Liburnen waren ursprünglich Schiffe, wie sie von dalmatinischen Seeräubern und auch von Oktavians Admiral Agrippa in der Seeschlacht bei Aktium gegen die Flotte Mark Antons und Kleopatras eingesetzt worden sind.
Auf dem Bild des Johann Georg Wolffgang sind das Schloß, die Lange Brücke, die Petrikirche und die Nikolaikirche zu sehen. Die Menschen an den drei Kajütfenstern achtern an der Steuerbordseite sind wahrscheinlich der König und sein Gefolge. Über ihm an Deck stehen Musiker, während zahlreiche Fahrgäste unter einem bis zum Vorschiff reichenden Sonnensegel zu erkennen sind. Interessant sind die Verzierungen am Heck; eine mit Federn geschmückte Figur unter einem Palmenwedel, umgeben von exotischen Tieren, symbolisiert die damals noch bestehenden afrikanischen Besitzungen Preußens. An Bord dieser Yacht begegneten sich ein Jahr später Friedrich I von Preußen und die Monarchen von Sachsen und von Dänemark, wobei nach dem Bericht des dänischen Vizeadmirals Just Juel hauptsächlich Veranstaltungen durchgeführt wurden, die man heute als „Arbeitsessen“ bezeichnen würde:
„8. Juni. Noch ist merken, daß der König von Preußen eine Lustjacht auf dem Strome Havel hält, welche sehr prächtig innen und außen mit Malerei und Vergoldung ist, weiße Flagge, Gösch, Wimpel und Heckflagge führt, worin ein schwarzer Adler steht, welcher das preußische Wappen ist … „
Weiter heißt es:
„Speisen alle drei Herrscher auf dem Königlichen Lusthause, welches eine Meile von Potsdam liegt, Caputh genannt, kamen so segelnd wieder zurück auf der Havel, und gingen ans Land unter Lösung der Stücke im Garten und auf der Yacht. Sie hatten sich dort so lustig gehalten, daß die Sinne bei den meisten „caput“ geworden waren. Jeder legte sich schlafen und sie standen wieder auf, um am Abend auf dieselbe Art zu speisen wie die anderen Abende zuvor.“
Das Salutschießen ist dem Schiff und seiner Besatzung offenbar nicht besonders gut bekommen. Von den 22 Kanonen waren 1716 nur noch 17 vorhanden. Die übrigen sind wohl im Laufe der Jahre geplatzt, was nicht erwähnenswert erschiene, wäre es nicht wiederholt zu erheblichen Verletzungen der Matrosen gekommen. Eines dieser Besatzungsmitglieder, Jacob Lück, bat am 5.8.1709 wegen einer Verletzung seines linken Arms „bei der jetzt eingerichteten dritten Treckschute“ als Steuermann angestellt zu werden. Die acht Matrosen der Yacht trugen bei Anwesenheit des Königs Uniformen nach englischem Muster mit orangefarbigem Mützenband und Goldbesatz.
Der Nachfolger Friedrichs I., der als sparsam und jeden Prunk abgeneigt beschriebene „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. tauschte die Yacht seines Vaters bei einem Zusammentreffen mit Peter dem Großen im Jahre 1716 in Havelberg gegen „Lange Kerls“ ein.
Der Zar kannte das Schiff von einem Besuch, als er damit 1712 von Berlin nach Charlottenburg gefahren war. Über das Tauschgeschäft berichtete Faßmann, der König habe
„dem russischen Monarchen auch ein von Dero glorwürdigsten Herrn Vater, 8 Jahre zuvor, in Holland erkaufftes, verguldetes, auch sonst über die Maßen prächtiges Jacht-Schiff, mit allen Matrosen und darinnen befindlichen kostbaren Meublen und Oeconomischen Geschirren verehret. Dieses Jacht-Schiff solle dem höchstseligen König [Friedrich I.] mehr als hundert tausend Thaler gekostet haben, und es ist damals bey Potsdam auf der Havel gelegen, von wannen es nach Hamburg und von dar ferner nach St. Petersburg abgegangen. Dagegen hat der russische Monarch Ihro Majestät dem König versprochen, die große preußische Garde-Grenadiers oder das Cron-Regiment, jetzo insgemein nur des Königs Regiment genannt, alle Jahre mit hundert Mann von einer außerordentlichen Länge zu versorgen. Sechs Monate hernach sind auch, der desfalls vom Petro Magno ergangennen Ordre zufolge, 150 Mann von der behörigen Länge, zum erstenmal aus Rußland in Potsdam angelanget, und seit dem, auch nach des großen Petri Todt, richtig damit continuieret worden … „
Bei allem Aufwand, mit dem das Schiff gebaut worden war, erscheint die Behauptung, es habe mehr als hundertausend Taler gekostet, doch stark übertrieben. Wie oft und wieviele „lange Kerls“ gestellt worden sind, ist nicht bekannt.
Der Schiffer Jänicke erhielt den Auftrag, die Yacht in Potsdam aus an ihren Bestimmungsort zu bringen. Aber schon in Altona war eine Reparatur notwendig, deren Kosten der neue Besitzer zu tragen hatte. Erst 1719 kam das Schiff zur Freude des Zaren in St. Petersburg an und wurde in „Die Krone“ umgetauft. Über sein weiteres Schicksal ist nur bekannt, daß es 1741 nochmals grundüberholt worden ist, wobei sogar die Spanten erneuert wurden.
Noch 100 Jahre nachdem die Yacht Potsdam verlassen hatte, schrieb der Admiralstabssekretär Voigt bedauernd:
„Mit ihr schwand eine reizvolle Staffage der Potsdamer Gewässer; hier hat sie mit ihrem bunten Flaggenschmuck und ihrer reichen Fülle schneeiger Segel wohl eine Erscheinung dargeboten, die bei der damaligen Seltenheit an sportgerechten Fahrzeugen sich von dem übrigen Schiffsmaterial jener Tage glänzend abhob. Ihre Versenkung bedeutete somit für den königlichen Wassersport eine schmerzhafte Einbuße.“
So eindrucksvoll das Erscheinungsbild dieses Schiffes gewesen sein mag, so wenig lagen seine Funktionen auf dem Gebiet des Wassersorts im späteren Sinne. Es diente vielmehr repräsentativen Zwecken und der Beförderung des Hofes und seiner Gäste bei Vergnügungsfahrten auf Havel und Spree.
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